Wie Mandelkerne unsere Stressreaktion steuern!

Birgit Neuruhrer Gehirn, Wohlbefinden

Am vergangenen Wochenende wurde ich nicht nur einmal, sondern gleich dreimal dazu inspiriert, über das Thema Stress und insbesondere die Stressreaktion zu schreiben. Denn wenn wir verstehen, wie es rein biologisch betrachtet zu unserem Stressempfinden kommt, ist völlig klar was wir gegen den Stress tun können! Und das ist ein brandaktuelles Thema, denn wie die aktuelle Erhebung der Arbeiterkammer, aber sicherlich ebenso unser eigenes Empfinden zeigt:

Stress ist eine der Hauptursachen von Arbeitsunzufriedenheit

Das belegt der soeben veröffentlichte Arbeitsklima Index 2020 der Arbeiterkammer ganz deutlich. Über diesen Bericht bin ich am Wochenende gestolpert. In der Studie wird zwar zwischen Innovationsstress, psychischen Stress und physischen Stress unterschieden – unserem Gehirn ist das aber ziemlich egal. Für Stress gibt es dort nur eine zentrale Stelle, die maßgeblich dafür verantwortlich ist: das Limbische System mit der Amygdala als Hauptdarsteller.

Genau über diese Amygdala bin ich als Nächstes gestolpert, und zwar im physischen Sinn bei einem Spaziergang am Neusiedlersee. Wie so oft habe ich etwas vom Boden aufgeboben, das meine Aufmerksamkeit auf sich gelenkt hat. Vorerst konnte ich meinen Fund gar nicht recht einordnen. Bis ich erfreut feststellte: Das ist ein Mandelkern! So viel habe ich schon über die Mandelkerne in unserem Gehirn gelesen und natürlich weiß ich, wie Mandeln im essbaren Supermarkt-Zustand aussehen – aber eben nicht in natura, eingepackt in ihre harte Schale.

Jetzt hielt ich sie also endlich in ihrer pursten Form, frisch vom Baum in der Hand: die Verursacher unserer Stressreaktion. Mandelkern ist nämlich der deutsche Begriff für den lateinisch-griechischen Fachbegriff Amygdala. Diese deutsche Variante ist einerseits viel leichter zu merken. Andererseits hilft uns dieser auch gleich bei der visuellen Vorstellung dieses Gehirnareals. Die Region mit dem Namen Amygdala ist nämlich tatsächlich ca. so groß wie eine Mandel und davon besitzen wir nicht nur eine, sondern gleich zwei – wie es bei den meisten Gehirnarealen eben so ist. Doppelt hält besser, könnte man sagen. (Stimmt natürlich nicht, das hat evolutionäre Ursachen). Aber nun zurück zur Stressreaktion.

Wie läuft die Stressreaktion ab?

Im Grunde ist es ganz einfach: Informationen aus den Sinnesorganen z.B. den Ohren werden an das Gehirn weitergeleitet. Dort kommen sie zuerst zu einer Art Verteilerkreis, wie wir ihn vom Straßenverkehr kennen, dem Thalamus. Von dort wird abermals weitergeleitet, und zwar darf der empfangene Reiz einerseits mit dem Mandelkern und andererseits mit der Großhirnrinde Bekanntschaft machen. In beiden Regionen wird die Information nun ausgewertet.

Während der Cortex seinen Job langsamer, dafür aber sehr gewissenhaft macht, zeichnet den Mandelkern vor allem eines aus: Seine Schnelligkeit! Ohne großartig darüber nachzudenken wird bewertet und sollte die Information nach Gefahr riechen, wird der Körper sofort in Alarmbereitschaft versetzt. Denn Gefahr bedeutet für diese alte Gehirnregion, dass Energie bereitgestellt werden muss um den potenziellen Feind anzugreifen oder zu fliehen. Wie sich das dann anfühlt, wissen wir alle aus eigener Erfahrung: Das Herz klopft wie wild, die Atmung macht Schnelligkeits-Rekordversuche, der ganze Körper steht unter Strom.

Wer ist somit schuld am Stress? Der Mandelkern!

Während die Regionen der Großhirnrinde noch mitten in der Analyse-Phase stecken, hat der Mandelkern die Initialzündung für die Ausschüttung der Stresshormone schon längst gegeben. Adrenalin, Noradrenalin und Cortisol wandern in den Blutkreislauf und der Sympathikus ist aktiviert. Das ist auch gut so! Denn es wäre wohl viel zu spät auf die Ergebnisse einer gründlichen Analyse zu warten, wenn Gefahr im Verzug ist, oder? Wenn z.B. ein Auto auf uns zurast, wären wir längst tot hätten wir den Mandelkern nicht, der uns sofort zur Seite springen lässt. Mit einem Wort: Der Mandelkern sichert unser Überleben! Ich denke, wir können wirklich sehr dankbar sein, dass wir diese Struktur in unserem Gehirn haben.

Was können wir gegen den Stress tun?

Bei aller Dankbarkeit ist wohl klar, dass gerade im Job der Mandelkern sehr oft dann anschlägt, wenn wir es am wenigsten brauchen. Vor lauter Anspannung kippen wir dann am Wochenende direkt in die Erschöpfung. Es zahlt sich daher aus, einen Blick in die persönlichen Bewertungsmuster des eigenen Mandelkerns zu werfen. Im Idealfall gelingt es uns, diese so zu verändern, dass eine bestimmte Situation in Zukunft nicht mehr als potenzielle Gefahr einstuft wird. Dann entfällt auch die Stressreaktion. Ebenso kann man Techniken erlernen, um eine Stressreaktion möglichst rasch wieder zu verlassen.

Beides ist für unseren Job-Alltag extrem wichtig! Sowohl um gesund und entspannt zu bleiben, als auch um unser Potenzial zu entfalten. Daher ist Stress-Management fixer Bestandteil meiner Gedankenkompetenz-Trainings. Weil es, wie Sie gerade gesehen haben, großteils mit unseren eigenen Bewertungen – unserem Denken – zu tun hat, wann wir Stress empfinden. Doch was können Sie heute schon tun, um raus aus dem Stress zu kommen?

Führen Sie sich doch einfach noch einmal vor Augen, was die Stressreaktion körperlich ist: Energie, Energie und nochmals Energie! Aber wie sieht ein klassischer Büro-Alltag aus? Sitzen, sitzen und nochmals sitzen. Wir sitzen am Weg zur Arbeit im Auto oder in der U-Bahn, verbringen den Arbeitstag dann sitzend am Schreibtisch vor dem Computer oder in einem Meeting-Raum. Der Körper hat somit keine Chance die bereitgestellte Energie wieder abzubauen.

Was sofort hilft, ist somit völlig klar: Bewegung!

Genau das hat mir mein Wochenende ebenfalls gezeigt: Meine innere Ruhe ist nach einer ausgedehnten Skitour wieder zurückgekehrt. Das Cortisol in meinem Körper wurde abgebaut, ich war komplett entstresst! Für Sie mag eine andere Form der Bewegung das Richtige sein. Aber egal ob Yoga, Schwimmen oder eine Laufrunde – finden Sie heraus, was Ihnen guttut und bauen Sie regelmäßige Bewegung in Ihren Alltag ein. So beugen Sie chronischen Stress definitiv vor und fühlen sich gleich viel entspannter!

PS: Der geschilderte Ablauf der Stressreaktion ist eine vereinfachte Darstellung, denn mein Hauptanliegen ist es, komplexe Vorgänge auf den Punkt zu bringen, ohne in “Gehirn-Kaudawelsch” abzudriften. Ich hoffe, das ist in Ihrem Sinne!